Rede

zum feierlichen Gelöbnis von Rekrutinnen und Rekruten

am Montag, dem 21. September 2020 in Seedorf

Fallschirmjägerregiment 31

 

Sehr geehrter Herr Oberst Geßner,

 

vor allem und ganz ausdrücklich aber

liebe Soldatinnen und Soldaten, die Sie heute ihren Eid ablegen!

Ich freue mich, anlässlich Ihres feierlichen Gelöbnisses zu Ihnen sprechen zu dürfen. Für mich ist das keine Pflichtübung, sondern eine besondere Ehre und Herausforderung – wahrscheinlich bin ich genauso aufgeregt wie Sie, die Sie hier angetreten sind! 

Ich bin sehr gern zu Ihnen gekommen, um so meine Verbundenheit und die des Landesparlaments mit Ihnen, unseren Soldatinnen und Soldaten, zum Ausdruck zu bringen. 

Normalerweise wären auch Eltern, Angehörige, Partnerinnen und Partner sowie Freundinnen und Freunde zu Ihrem feierlichen Gelöbnis gekommen.

Angesichts der Corona-Pandemie ist das leider heute nicht möglich.

So stehe ich nun als einziger Vertreter der Zivilgesellschaft nun vor Ihnen, doch natürlich ist das kein vollständiger Ersatz.

Aber sie alle, die heute nicht dabei sind, stehen zur Entscheidung der Soldatinnen und Soldaten, zu Ihrer Entscheidung, in der Bundeswehr zu dienen und damit Verantwortung für andere zu übernehmen. Dieser Rückhalt für Sie als Rekrutinnen und Rekruten ist sehr wichtig. Auch ihnen wird so manches abverlangt, was in Ihrer bevorstehenden Dienstzeit sicher häufiger deutlich werden wird.

Als ich mich auf den heutigen Termin vorbereitet habe, gingen meine Gedanken zurück an mein eigenes Gelöbnis. Ich habe 1981 meinen Grundwehrdienst als „W 15-er“ beim Panzeraufklärungsbataillon 1 in der schönen Garnisonsstadt Braunschweig geleistet. Seinerzeit waren dort einige tausend Soldaten in mehreren Kasernen stationiert. Auch wenn ich mich nicht mehr an alle Einzelheiten der Reden oder auch die Redner selbst von damals erinnern kann, so habe ich doch die besondere Atmosphäre und das Zeremoniell beim Gelöbnis noch in besonderer Erinnerung.

An Inhalt und Bedeutung der Eidesformel und an ihrem Wert hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert.

Allerdings waren die Zeiten in der Bundeswehr damals in den 80er Jahren ganz andere als heutzutage. Die Wehrpflichtarmee der „alten“ Bundeswehr hatte seinerzeit eine Stärke von 490.000 „Mann“. Frauen haben damals keinen Dienst an der Waffe geleistet. Einige wenige Frauen waren beim Militärmusikdienst oder als Sanitäterinnen eingesetzt. „Wie langweilig!“, werden einige Kameraden jetzt wohl denken!

Damals stand die Landesverteidigung im Focus.

Ich habe 81/82 die Bundeswehr während der Zeit des Kalten Krieges und in einem durch den Eisernen Vorhang geteilten Europa erlebt. Diese unmenschliche Grenze mitten durch unser Vaterland, die Frontlinie zwischen NATO und Warschauer Pakt, war für mich Alltag, mein Wohnort liegt wenige Kilometer von der sogenannten „Zonengrenze“ entfernt. Im Verteidigungsfall, im Ernstfall, hätte ich im wahren Sinne des Wortes meine engere Heimat verteidigen müssen. Was glauben Sie, wie ich mich fühlte, als ich bei Übungseinsätzen unweit der Grenze russische Stimmen im Funk hörte … das vergesse ich nie!

Was auf uns hätte zukommen können, das hat General Sir John Hackett in seinem Buch „Der Dritte Weltkrieg“ anschaulich beschrieben … mein Bataillon, ganz vorn, hatte eine Überlebenszeit von nicht einmal zwei Stunden …

Das Prinzip der gegenseitigen Abschreckung funktionierte, gleichwohl mussten wir Soldaten stets auf den Ernstfall vorbereitet sein. Mir sind daher Brigadeübungen, NATO-Alarme sowie manche 48-Stunden-Übungen nicht nur als Schlagworte vertraut, sondern als ehemaliger Obergefreiter habe ich noch recht lebhafte Erinnerungen daran.

 

Und wie ist die Lage heute?

Leben wir in unserer globalisierten Welt heute sicherer? Eindeutig nicht!

Die Aufgaben und Herausforderungen der Bundeswehr sind aufgrund der diffusen Bedrohungslage und internationaler Verpflichtungen vielfältiger und umfangreicher geworden. 

Und: Ja, wir nehmen aktiv an militärischen Auseinandersetzungen teil.

Es ist offenkundig, dass die Bundeswehr – wie schon in der Vergangenheit – ein Ausrüstungsproblem hat. 

So hat der Wehrbeauftragte schon länger festgestellt, dass die Ausstattung der Bundeswehr in einigen Bereichen weiterhin mangelhaft und sie nicht voll bzw. nur bedingt einsatzbereit ist. 

Der Generalinspekteur hat im März vergangenen Jahres dem Verteidigungsausschuss des Bundestages berichtet, dass 2018 die wichtigsten Waffensysteme zu etwa 70 Prozent einsatzfähig gewesen seien.

Der Handlungsbedarf ist erkannt, der Wehretat ist gestiegen. Er liegt damit aber immer noch unter der von der Bundesregierung angepeilten und unseren Verbündeten zugesagten Quote von 1,5 % des Bruttoinlandprodukts. Das muss sich ändern!

… übrigens ebenso wie das bürokratisierte Beschaffungswesen offensichtlich reformiert und die Rüstungspolitik aktualisiert werden muss.

Der frühere US-Präsident Ronald Reagan hat es so formuliert:

„Frieden entsteht aus Stärke, nicht aus Schwäche.“

 

Soldatinnen und Soldaten!!

Die Bundeswehr in Niedersachsen, das sind rund 41.000 militärische und zivile Dienstposten an 35 Standorten. Wilhelmshaven stellt mit rund 8.500 Bundeswehrangehörigen den truppenstärksten Standort in Deutschland dar. Damit ist Niedersachsen auch nach den Umstruk-turierungen nach Wende und Wiedervereinigung Bundeswehrland Nr. 1.

Soldatinnen und Soldaten genießen das Vertrauen der Bevölkerung und hohe Anerkennung. Ihnen wird vor Ort viel Wertschätzung entgegenbracht, weil man weiß, dass die Bundeswehr ein verlässlicher Partner ist.

Ob bei der Flutkatastrophe in Niedersachsen und Hamburg im Jahre 1962, bei der Waldbrandkatastrophe in der Lüneburger Heide im Sommer 1975, bei der Schneekatastrophe in Schleswig-Holstein oder bei extremen Hochwasserlagen zum Beispiel an der Elbe im Jahre 2013 – stets waren Soldatinnen und Soldaten zur Stelle –, wenn „Not am Mann“ war und schnell geholfen werden musste. An dieser Stelle möchte ich auch die große Unterstützung der Bundeswehr bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise im Jahre 2015 nicht unerwähnt lassen, geschweige denn die aktuelle massive Unterstützung im Rahmen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie.

Einschließen möchte ich hier ganz ausdrücklich die Arbeit und das große Engagement der Reservistinnen und Reservisten.

Im Bundeswehrland Nr. 1, Niedersachsen, gibt es vielfältige Kontakte zwischen Streitkräften und Politik. Ich weiß von meinem Kollegen Dr. Marco Mohrmann, dass auch hier der Kontakt sehr gut ist.

Viele der Soldaten in der Landeshauptstadt Hannover, aber auch darüber hinaus nehmen an Besuchsprogrammen des Landtages teil. Darüber freuen wir uns sehr, und ich ganz persönlich freue mich auch über und auf Ihren Besuch, gern auch in kleineren Gruppen, in Ihrem Landesparlament. Sie dürfen das gern als persönliche Einladung betrachten. … vielleicht nicht alle auf einmal!

Der Niedersächsische Landtag hat sein gutes Verhältnis zu den Verbänden der Bundeswehr und den dort mit oder ohne Uniform beschäftigten Personen in der Vergangenheit auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht. 

Veranstaltungen mit dem Landeskommando Niedersachsen und dem Verband der Reservisten, der große Festakt „60 Jahre Bundeswehr in Niedersachsen“ und die Verabschiedung von Einsatzkontingenten der 1. Panzerdivision im Plenarsaal des Landtages in ihre Auslandseinsätze seien hier erwähnt. 

Demnächst wird die Panzerlehrbrigade 9 den Namenszusatz „Niedersachsen“ erhalten …

Ich verspreche Ihnen, dass auch der Landtag der 18. Wahlperiode seine Verbundenheit mit der Bundeswehr pflegen wird. 

 

Liebe Soldatinnen und Soldaten,

mit dem heutigen Tage übernehmen Sie als „Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Uniform“ besondere Pflichten und große Verantwortung für sich, Ihre Familien und für unsere Gesellschaft insgesamt. Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bilden das Fundament, auf dem unser Staat solide ruht. Sie, die Soldatinnen und Soldaten, geloben heute, der Demokratie, dem Recht und der Freiheit zu dienen und diese – wenn notwendig – tapfer zu verteidigen.

Sie sind, so hat sich diese Bezeichnung auch nach der de facto -Abschaffung der Wehrpflicht, die ich nach wie vor für grundfalsch halte, „Bürger in Uniform“, damit Teil unserer Gesellschaft, auf Augenhöhe mit den Menschen im Lande.

Dabei übernehmen Sie Verantwortung mit Risiken, denen andere gern und mit viel Phantasie ausweichen. Deshalb dürfen, ja sollten Sie Ihre Uniform mit den Farben Schwarz-Rot-Gold mit Stolz tragen, so wie es auch unsere Nachbarn und Bündnispartner tun und wie es Hundert-tausende vorher in der Bundeswehr getan haben. Diese Farben stehen für einen Staat, wie es ihn freiheitlicher, demokratischer, toleranter – und auch menschlicher – noch nie auf deutschem Boden gegeben hat.

Die in der Gelöbnisformel enthaltenen Werte – Recht und Freiheit – mögen manchem als Floskel oder Selbstverständlichkeit erscheinen. Schauen wir aber über die Grenzen unseres Landes hinaus, werden wir schnell sehen, dass es noch viele Länder und Regionen gibt, wo die Beachtung dieser Begriffe eben gerade nicht selbstverständlich ist. Wir müssen aufpassen! Ich erinnere hier an das Sprichwort „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“.

Herr Oberst Geßner hat vorhin von der Bundeswehr als Parlamentsarmee gesprochen.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, selbst Weltkriegsteilnehmer, sagte anlässlich der Gelöbnisfeier vor dem Reichstag in Berlin im Juli 2008 zu den Soldaten:

„Ihr müsst wissen: Euer Dienst kann auch Gefahren und Risiken umfassen. Aber Ihr könnt Euch darauf verlassen: Dieser Staat wird Euch nicht missbrauchen. 

Denn die Würde und das Recht des einzelnen Menschen sind das oberste Gebot – nicht nur für die Regierenden, sondern für uns alle.“

Soldatin oder Soldat zu sein, ist für Sie eine ganz persönliche Herausforderung. Eine gute Ausbildung, gute Kameradschaft, Ihre Vorgesetzten, die dem alten Grundsatz der „Führung durch Vorbild und Beispiel“ treu sind und alle, die heute dabei sind, werden Ihnen helfen, diese Herausforderung zu bewältigen.

Zweifellos verlangt der Dienst in der Bundeswehr Einschränkungen und Opfer, die mit der Trennung von zuhause beginnen. Einige von Ihnen werden in Krisengebieten eingesetzt und dort zum Teil unter Lebens-gefahr ihren Dienst verrichten und möglicherweise schwere Entscheidungen fällen müssen. Das zu verschweigen wäre unfair und unredlich.

Ich habe im Herbst 2018 das Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin besucht, was mich sehr beeindruckt und nachdenklich gemacht hat.

An die Gefallenen und Getöteten der Bundeswehr zu erinnern, ist mir auch heute eine besondere Verpflichtung.

Die Gefallenen und ihr Schicksal zu verschweigen, ja regelrecht zu verstecken, das wäre zutiefst unmenschlich!

 

Liebe Soldatinnen und Soldaten,

wer heute Dienst als Soldatin oder Soldat leistet, der ist ein echter „Mutbürger“, wie es der ehemalige Bundespräsident Gauck anlässlich einer Gelöbnisrede vor dem Reichstagsgebäude 2013 treffend formulierte.

Möge der Wehrdienst für Sie nicht nur ein wichtiger und wertvoller Dienst für unsere freiheitliche Demokratie sein, sondern auch eine bereichernde und prägende positive Erfahrung für Ihren weiteren Lebensweg. Ich persönlich zehre noch heute von meiner Zeit bei der Bundeswehr.

 Unser erster Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer hat einmal gesagt:

„Ich habe den Wunsch, dass später einmal,

wenn die Menschen über den Nebel und den Staub 

dieser Zeit hinwegsehen, von mir gesagt werden kann,

dass ich meine Pflicht getan habe.“

Dieser Wunsch des bekennenden Deutschen und überzeugten Europäers ist in Erfüllung gegangen.
Nun wünsche ich Ihnen, dass Sie guten Mutes und guten Gewissens dienen und in Ihre Einsätze gehen können.

Ich wünsche Ihnen die gute Führung und die Kameradschaft, die Sie zur Erfüllung Ihrer wichtigen Aufgaben dringend brauchen. 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund an Leib und Seele von Ihren Einsätzen zu Ihren Lieben zurückkommen.

Und:

Ich wünsche Ihnen, dass Sie am Ende Ihrer Dienstzeit einmal zufrieden zurückblicken und stolz darauf sein können, dass auch Sie Ihre Pflicht für Ihr Land und Ihre Mitmenschen getan haben.

 

Ich danke Ihnen im Namen des Niedersächsischen Landtages von Herzen für Ihren Einsatz!

 

Glück ab!